So sehr ich an den vermeintlich sicher abgeklebten Ecken und Kanten der nicht selten alles andere als tatsächlich loyalen Gewohnheit hänge, so mag ich auch Übergänge verschiedenster Art. Nun, um ehrlich zu sein, in erster Linie wohl vor allem solche, die sich ihre Zeit nehmen und irgendwie zumindest ein klein wenig erwartbar sind.
Jahreszeitenübergänge zum Beispiel, jene liebe ich innigst. Diese ganz und gar magische Zeit jedes Jahr, da es Winter und Frühling zur selben Zeit ist. Oder Frühling und Sommer. Oder Herbst und Winter. Oder, wie jetzt gerade, Sommer und Herbst. Vereint in trauter (oder sich vielleicht doch hinter dem Bühnenvorhang leise zankender?) Zweisamkeit. Wenn man mehr als drei Dinge gleichzeitig zu tun hat, verpasst man jene Zeit ganz leicht, beinahe mühelos. Was mehr als schade ist, denn was spiegelt die großen Themen eines jeden Lebens – Kommen und Gehen, Werden und Vergehen, Entstehen und Loslassen – bildhafter als das stete Wirken und Tun der Natur, direkt vor unseren Augen?
Frühmorgens liegen die Strassen neblig-feucht und kühl vor einem und man ist froh, ein Wolljäckchen angezogen zu haben, das man bis oben hin zuknöpfen kann. Zur selben Zeit aber weiß man, mit jedem Sonnenstrahl, der sich hinabkämpft und liegenbleibt, schleicht sich auch das Leben zurück. Zwischen Häuserzeilen, in Ecken und Winkel und nicht zuletzt auch in unsere Gemüter. Bereits am Mittag dann könnte man meinen, der Sommer dauere in diesem Jahr ewig und drei Tage. Die Menschen werfen ihre Jacken und Pullis achtlos auf Parkbänke und Bistrostühle und atmen genüsslich Licht, Eiscreme, Sonne und Wonne – im Wissen darum, dass sich die Chancen dazu langsam aber sicher selbst dezimieren. So geht es einen Nachmittag lang. Solange bis der Abend behäbig Einzug hält und einen trotz sonnenerwärmten Wangen überall sonst frösteln lässt. Da ist sie dann wieder, die kuschelige Strickjacke, in Begleitung derer – und jener lieber Menschen – sich die letzten Frühherbstspätsommerabende mit bereits in dezent melancholischen Tönen bemaltem Herzen hervorragend aushalten lassen.
Man stellt fest, wie nicht bloss der eigene Körper, sondern ebenso die Gedanken und Emotionen dieser Tage nach Strickjacken rufen. Das Leben ist im Aufbruch, die Zeit schreitet voran. Auf der Schwelle zum Herbst wird unweigerlich klar, dass in nicht allzu weiter Zukunft auch der Winter erneut Einkehr halten wird und mit ihm ein gänzlich anderes Dasein als eben noch während dieses Sommers aller Sommer.
Ich für meinen Teil bin, je älter ich werde, umso dankbarer, den Wechsel der Jahreszeiten mit Haut, Herz und allem anderen bewusst mitzuerleben. In eben jenen Momenten, da im eigenen Epizentrum all der schwirrenden Emotionen und Launen mal wieder kaum etwas wirklich Sinn zu ergeben scheint und ich hoch in die Krone eines sich verfärbenden Kastanienbaums blicke, dessen Früchte heimlich reifen und stumm von Herbst und Neuanfang erzählen,
…schiessen mir ein jedes Mal aufs Neue Tränen in die Augen ob dieser stillen und unaufdringlichen Schönheit. Ich kann bloss für mich sprechen, aber nichts versöhnt mich mit mir selbst und all dem überlauten Chaos, das für gewöhnlich in mir tobt, ähnlich überwältigend und dennoch so sanft und leise wie Anblicke und Momente eben jener Art.
Kommentare
Dani
Manchmal wäre ich gern wie ein Schneeglöckchen. Es spürt den Übergang vom Winter zum Frühling und bahnt sich zaghaft, aber mutig immer mehr den Weg nach außen. Ins Licht, dorthin wo die Sonne immer mehr an Kraft gewinnt, das Grün sich […] WeiterlesenManchmal wäre ich gern wie ein Schneeglöckchen. Es spürt den Übergang vom Winter zum Frühling und bahnt sich zaghaft, aber mutig immer mehr den Weg nach außen. Ins Licht, dorthin wo die Sonne immer mehr an Kraft gewinnt, das Grün sich langsam aber sicher wieder überall zeigt und die Vögel früh und auch abends wieder zu singen beginnen. Es fragt nicht, ob es vielleicht zu früh ist oder der falsche Zeitpunkt. Oder die Gefahr besteht, dass das Wetter nochmal umschlägt und die eisige Kälte und der Schnee zurückkehren. Es geht das Risiko ein und zeigt sich, ohne zu wissen, was es da draussen erwartet. Kommen und Gehen, Werden und Vergehen, Entstehen und Loslassen...das wird so spürbar in diesen Tagen. Es gibt Zeiten, da empfinde ich es als etwas sehr Hoffnungsvolles und Schönes, weil es Bewegung und Veränderung ausdrückt und keinen Stillstand bedeutet. An manchen Tagen setzt es mich aber auch unter Druck, wenn ich spüre, dass ich festhänge. Wie sehr würde ich mir dann den zaghaften, aber doch deutlich spürbaren Mut des Schneeglöckchens wünschen, das tut, was es tut, ohne permanent den Sinn von etwas zu hinterfragen. Manchmal wäre ich gern wie ein Schneeglöckchen. Read Less
Emma denkt.
to Dani
Ich wär' gern ein Schneeglöckchen, das neben dir wächst.