Da und wahr

Manches ist schon da, bevor man es sieht, hört, spürt, geschweige denn benennen kann. Manches ist vorhanden, bevor man davon weiss.

Wir sitzen nebeneinander im Bus. Mein Arm ist auf eine Art und Weise in deinen verknotet, die mir das Gefühl gibt, zu wissen wohin mit jener Körperlichkeit, die sich hin und wieder so fremd anfühlt, dass ich Mühe habe, sie mir und nicht dir oder irgendjemanden sonst zuzuordnen. Woher weiss ich, wo ich tatsächlich anfange und ende und wie fühlt es sich wohl an, sich derlei Fragen nicht immer und immer wieder zu stellen?

Manches war nie wirklich da, auch wenn man es zu sehen, hören, spüren glaubt und ihm einen Namen gibt. Manches war nie da, losgelöst von den eigenen Gedanken.

Du gehst ein paar Meter vor mir eine schmale Gasse entlang, in welcher unsere Schritte noch nie zuvor erklungen sind. Du drehst dich im Laufen um, lächelst mir zu und verschwindest nach links in einem Hauseingang. In Gedanken stolpere ich über mögliche Fortsetzungen dieses Augenblickes und blinzle mit angehaltenem Atem gegen das Sonnenlicht. Existieren wir auch im nicht Sichtbaren und überdauern damit Zeit und Raum?

Manches wird erst wahr, nachdem man es aus den Augen verloren hat. Manches ist zu viel und zu real, obwohl es nach kaum etwas schmeckt.

Eben noch standest du neben mir, dein Blick glitt über die Wasseroberfläche hinüber zum gegenüberliegenden Ufer. Einen Moment lang waren meine Augen geschlossen, ich atmete Unmittelbarkeit ein und Sommersonnenwärme aus. Nun sind da unzählige kleine Wellen, ein wenig Gischt, dann Stille und die leise Ahnung, dass du schon wieder auftauchen wirst – irgendwo, irgendwann und ich vielleicht mit dir.

Manches bleibt wahr, auch ohne dass man es sieht, hört, spürt, geschweige denn benennen kann. Manches ist vorhanden, ohne dass irgendjemand davon weiss.

21 Kommentare
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Kommentare

  • Babette

    August 12, 2019 at 13:04
    Reply

    Oh, wie schön dieser Text ist. Und ja, es ist wohltuend ihn gezielt zu lesen, nicht als ein post inmitten vieler lärmender Nichtigkeiten.

    • Emma denkt.
      to Babette

      August 12, 2019 at 13:50
      Reply

      Liebe Babette, deine Zeilen freuen mich ehrlich sehr. Ich danke dir dafür.

  • Renate Hackl

    August 12, 2019 at 10:05
    Reply

    Danke für den anregenden Text ::). Meine Gedanken/Gefühle: Wo ist Anfang, wo ist Ende? Gibt es nicht. In Wirklichkeit ist alles Ewigkeit, alles zwei, immer da. Ich spüre mich in mir. Wer bin ich/ICH? Alles ist wahr, alles ist […] WeiterlesenDanke für den anregenden Text ::). Meine Gedanken/Gefühle: Wo ist Anfang, wo ist Ende? Gibt es nicht. In Wirklichkeit ist alles Ewigkeit, alles zwei, immer da. Ich spüre mich in mir. Wer bin ich/ICH? Alles ist wahr, alles ist vorhanden. Für jedes Individuum, individuell anders. Schönen Sommertag ::) und Herzensgruß Renate Read Less

    • Emma denkt.
      to Renate Hackl

      August 12, 2019 at 13:48
      Reply

      Danke, dass du deine Gedanken zum Text mit uns teilst, liebe Renate. Ich schätze solche Gelegenheiten zum Weiterdenken und -fragen sehr. Ich wünsche dir einen guten Start in die neue Woche.

  • Karina

    August 12, 2019 at 9:33
    Reply

    Ich freue mich über deine E-Mail und über deine Worte! Heute. Danke!

    • Emma denkt.
      to Karina

      August 12, 2019 at 9:46
      Reply

      Deine Zeilen freuen mich ebenfalls, liebe Karina. Ein herzliches Dankeschön.

  • Dani

    August 12, 2019 at 9:04
    Reply

    Liebe Michèle, Wie schön, wenn ein Montag mit dem ersten Newsletter von deiner neuen Homepage beginnt und ich so einen Text lesen darf. Ich finde den Begriff „wahr“ so spannend, weil ich ihn unglaublich vielschichtig finde und er so viele Gedanken […] WeiterlesenLiebe Michèle, Wie schön, wenn ein Montag mit dem ersten Newsletter von deiner neuen Homepage beginnt und ich so einen Text lesen darf. Ich finde den Begriff „wahr“ so spannend, weil ich ihn unglaublich vielschichtig finde und er so viele Gedanken und Deutungen aufwirft. Nicht umsonst ist das Wort auch Teil von vielen anderen Worten, angefangen von Wahrnehmung bis hin zu Wahrheit. In meinen Augen ist und bleibt der Begriff immer subjektiv, was positiv und negativ sein kann, je nachdem was man selbst als wahr ansieht und wodurch dieses Gefühl von „etwas ist wahr“ vor allem bestimmt wird. Eigene Wahrnehmungen können auch täuschen, trotzdem hat man das Gefühl, dass es sich wahr anfühlt. Traut man dann eher seinen eigenen Wahrnehmungen oder denen der anderen? Ich glaube, dass wir auch im nicht Sichtbaren existieren. Selbst wenn ich den anderen nicht sehen, hören oder fühlen kann, so existiert er weiter in meinen Gedanken, in meinem Herzen und in meiner Welt. Meine subjektive Wahrheit wird letztlich wohl immer bestimmt von meinem Herzen. Danke für den Text, der mich gedanklich richtig gut beschäftigt im positivsten aller Sinne ❤️ Dani P.S.: Ich liebe bereits jetzt folgende Textstelle: „...ich atmete Unmittelbarkeit ein und Sommersonnenwärme aus.“ Eine so schöne Formulierung! Read Less

    • Emma denkt.
      to Dani

      August 12, 2019 at 9:30
      Reply

      Oh, wie schön das zu lesen, liebe Dani. Ich freue mich, dass der Text dich dazu einlädt, deine Gedanken schweifen zu lassen (erst recht an einem Montagmorgen, hihi) und bedanke mich dafür, dass du sie hier mit uns teilst.

  • Katinka

    August 12, 2019 at 7:26
    Reply

    Ich kann nicht mal benennen wieso aber ich muss an meine derzeitige Situation in der "Friendzone denken. ?

    • Emma denkt.
      to Katinka

      August 12, 2019 at 8:12
      Reply

      So leid es mir tut, dass du dich zurzeit in solch einer Situation befindest, so spannend ist es dennoch einmal mehr zu erleben, wie individuell, je nach persönlicher Situation und Blickwinkel Texte gelesen und wahrgenommen werden können. Ich wünsche dir […] WeiterlesenSo leid es mir tut, dass du dich zurzeit in solch einer Situation befindest, so spannend ist es dennoch einmal mehr zu erleben, wie individuell, je nach persönlicher Situation und Blickwinkel Texte gelesen und wahrgenommen werden können. Ich wünsche dir viel Kraft, liebe Katinka. Read Less

    • Karin
      to Emma denkt.

      August 12, 2019 at 8:53
      Reply

      Ein sehr berührender Text ❤️

    • Emma denkt.
      to Karin

      August 12, 2019 at 9:14
      Reply

      Ich danke dir, liebe Karin.

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