Du sagst, du verstehst es nicht, senkst den Blick und schüttelst den Kopf. Du verstehst nicht, wieso ich nach all der Zeit, die wir gemeinsam auf jener nostalgisch anmutenden Wippe sassen, aufgestanden und gegangen bin. Weg von ihr, von dir, weg von uns.
Ich konnte nicht anders. Zu lange habe ich mich immer wieder vom Boden abgestossen, versucht, uns in Bewegung zu halten und verzweifelt probiert, auch einmal hoch und höher zu steigen. Bis zu dem einen fantastischen Punkt, an dem man fühlt, wie der eigene Hintern sich leicht vom Sitz der Wippe hebt und man sich in diesen zwei kurzen Sekunden nicht sicher ist, ob man sich genug festhält oder plötzlich loslässt und davonfliegt. Es ging nicht. Ich war immer schwerer als du, mit all meinen Sorgen und Ängsten, der auf Meeresgrundtiefe gesackten Hoffnung. Immer wieder sah ich zu dir hoch, sah dich dasitzen, eine Hand in den Himmel gestreckt, mit diesem betrübten Ausdruck im Gesicht. So nah an den Sternen und doch so unzufrieden, vom Leben und dir selbst enttäuscht.
Ich konnte nichts tun, nichts ändern, weder mich noch dich höher steigen lassen, hin zu den Sternen schiessen. Viel zu lange sass ich da, auf unserer Wippe mit den Füssen im aufgewirbelten Dreck und sehnte mich nach früheren Zeiten. Zeiten, als wir beide kichernd auf und ab, hoch und nieder wippten, bis unsere Herzen glühten. Zeiten in denen längst nicht alles gut war, wir uns aber dennoch ins Leben warfen – ungestüm und voller jugendlichem Wahnwitz.
Ich konnte dich noch hören, als das Wippen immer langsamer wurde, ich mich immer schwerer fühlte. Du riefst mir von oben zu, dass du mich bei dir brauchst in diesen schwindelnden Höhen. Ich rief zurück, erteilte Ratschläge, schickte Luftküsse, winkte. Doch ich merkte je länger je mehr, dass meine Worte dich kaum noch erreichten und auch meine Gesten im Nichts verebbten.
Eine Wippe, die stillsteht, verdient ihren Namen nicht länger. Und so stieg ich irgendwann ab. Nicht bevor ich sah, dass dir längst andere Hände gereicht wurden, nach denen du dankbar zu greifen wagtest. Meine immer seltener werdenden Rufe erreichten dich nicht mehr. Und ab einem gewissen Zeitpunkt hielt ich mir die Ohren zu, um meinerseits frei von deinen zu werden.
Aber weisst du was, das macht nichts. Wirklich nicht, das ist das Leben. Wippen befinden sich naturgemäss in ständiger Bewegung, mal in Balance, mal in Disbalance. Wippen stehen nicht still. Stillstehende Wippen werden morsch und verwittern. Ich wünsche dir Herzen, die das Stück Sitzholz dir gegenüber in Zukunft mit Schwung und lautem Lachen besetzen, die dich in den Himmel heben und ebenso wieder auf den Boden der Tatsachen zurückholen. Ich wünsche dir bewegende Tage, Wochen und Jahre mit frischem Wind im Haar, hochtrabenden Träumen und einem inneren Gleichgewicht, das dich irgendwann tatsächlich zufrieden macht. Mit dir selbst, den anderen, dem Schicksal, dem Leben. Ich weiss, dass du mir dasselbe wünschst.
Wipp wipp, hooray… leb wohl.