Was dich jedes Mal wieder aus der Spur wirft? Jene kurzen Augenblicke, die sich dir ohne Vorwarnung in den Weg stellen, wenn du schon gar nicht mehr weisst, was du am anderen vermisst. Jene in Sekundenschnelle an dir vorbei jagenden blitzgewittergleichen Momentfeuer, da dich die Erinnerung ein- und wie ein rücksichtloser Strassenrowdie überholt und dir ein kurzes, aber nicht minder heftiges Zwicken in die linke Seite jagt.
In jene linke Seite, die sie noch immer stillheimlich beheimatet, all die Erinnerungen – seicht und trüb, Algenbildung sei dank – an gefühlt Ebenerstweisstdunoch. Man ist beinahe versucht zu meinen, da wäre noch was. Aber da ist nichts mehr. Nicht mehr als ein Echo, das seltsam zeitverzögert von den Wänden deiner herzkammereigenen Tag- und Nachtgleiche widerhallt. Man nennt es auch »Phantomschmerz«.
Mein ganz persönlicher Phantomschmerz steht gerade in meiner Küche und kocht Spaghetti mit Tomatensauce. Nachts um viertel vor zwei an einem ganz und gar belanglosen Donnerstag im August. Ich sitze da und spüre den leisen Widerhall des Echos in mir. Unseres Echos. Es fühlt sich leer an, schmeckt fad. Ich sitze da und frage mich, ob es sich für Sterne ähnlich anfühlen mag – jene scheinen bisweilen auch noch (licht-)jahrtausendelang weiter zu leuchten, obwohl sie längst verglüht sind. Verrücktes Universum. Verrücktes Leben.
Die Spaghetti schmecken ganz okay, ebenso wie die Erinnerung an all das, was hinter uns liegt. Nicht mehr und nicht weniger. Ich lege den Kopf schief und fasse mir unter dem Tisch vorsichtig an die linke Seite. Aus dem heftigen Zwicken ist ein konstantes leichtes Surren geworden. Mit Surren kann ich leben. Phantomsurren statt Schmerz. Du lächelst mich kauend an, als wüsstest du um meine Gedanken. Ein wenig Traurigkeit liegt in deinem Lächeln, aber auch etwas, das nach Erleichterung aussieht. Vor uns liegt nichts. Nichts als zwei schmutzige Teller und zwei getrennte Herzen, deren einst gemeinsam geteiltes Echo nach nichts mehr klingt, was allzu viel größer ist als Null. Oder kleiner.
Unmittelbar nachdem du gegangen bist, stelle ich mich vor den grossen Spiegel im Korridor, drehe mich zur Seite und hebe mein Shirt. Gerade soweit, dass ich sie erkennen kann, die noch leicht surrende Stelle. Von aussen sieht man ihr nichts an. Wie so oft im Leben. Wie so oft.