Ich drehe mich auf die Seite, sodass meine Nasenspitze deine Schulter beinahe berührt. Meine Arme sind eng um den eigenen Körper geschlungen, so als versuchte ich mich selbst daran zu hindern, auseinanderzufallen, etwa wie ein lose zusammengesteckter Strauss welker Tulpen. Du atmest tief und langsam, der Schlaf hat dich fest in seiner schützenden Hand. Ich staune, im Halbdunkel wirken deine Gesichtszüge so weich und zugleich auf eine unaufdringliche Art und Weise erhaben.
Mein Blick wandert von deiner Stirn über die Nase bis hin zu deinem Kinn, wie ein imaginärer Finger auf einer gleichwohl imaginären Landkarte, der eine bereits seit Langem geplante Reiseroute nachfährt. Wie gern würde ich eine kleine Reise in deinen Kopf unternehmen, deine Hirnwindungen abklappern, unausgesprochene Gedanken aufspüren, funkelnde Ideen aufblühen und wieder vergehen sehen. Wenn ich genug gesehen hätte, würde ich mich auf direktem Weg in dein wunderbar verschrobenes Herz stehlen, um ein wenig mitzufühlen, was du fühlst und so vielleicht der Antwort ein Stück näher zu kommen. Der Antwort auf meine eine grosse Frage: ob du mich vielleicht ein klitzekleines bisschen liebst. So wie ich dich. Im Hier und Jetzt.
Ich schliesse die Augen. Obwohl du direkt neben mir liegst, fühle ich mich dir unendlich fern, als läge das ein oder andere trotzige Himmelsgestirn zwischen uns, das stetig seine Bahnen zieht. Weisst du noch, als wir uns ewige Freundschaft geschworen haben, die Hosentaschen voller Beute hinter dem Haselstrauch im Nachbargarten kauernd? Ich erinnere mich daran, als wäre es erst gestern gewesen. Mit pathetischen Zitaten haben wir um uns geworfen, als wären wir furchtlose Helden, statt zwei elfjährige rotznasige Nussdiebe.
»Lass mich zurück, alleine kannst du es schaffen!«
»Nie und nimmer lasse ich dich zurück. Entweder wir schaffen es beide hier raus oder keiner.«
»Du hast recht, unsere Wege dürfen sich niemals trennen.«
»Nicht bis in alle Ewigkeit!«
Ich drehe mich wieder auf den Rücken und schmunzle. Bei »niemals« sind wir zwar noch lange nicht angelangt, aber zumindest im letzten Dutzend vorbeigezogener Jahre haben sich unsere Wege in der Tat nie getrennt. Stets warst du an meiner Seite und ich an deiner. Zusammen sind wir erwachsen geworden, haben gelacht, geweint, gelernt und gelebt. So hätte es weitergehen können, Tag für Tag und Jahr um Jahr, bis in alle Ewigkeit…
Wenn nicht – ja, wenn es bloss nicht du wärst, nach dem sich mein schlaflos flirrendes Herz verzehrt, während du hier neben mir liegst, auf meinem durchgesessenen alten Sofa und dabei so unheimlich nah und so unendlich fern bist, wie niemals nie zuvor.