Ich habe nicht viele Talente, aber was das Aufschieben unangenehmer Dinge angeht, macht mir so schnell keiner etwas vor. Jahrelangem Training ist es zu verdanken, dass der Grad an Kontraproduktivität, zu dem ich mittlerweile fähig bin, seinesgleichen sucht.
Erst letztens ist es mir gelungen, zwei geschlagene Stunden lang in Gedanken sämtliche meiner Bücher nach dem Grad der Vergilbung ihrer Seiten zu ordnen, statt die Fenster meiner Wohnung zu putzen. Ich habe nachgelesen, »isolierte Aufschiebe-Symptomatik« nennt sich mein Problem. Klingt ernst, ist es vermutlich auch. Andererseits frage ich mich, wie wichtig Dinge sein können, die man ohne gewichtigere Folgen immer wieder aufschieben und hinauszögern kann.Die wirklich wichtigen Dinge des Lebens erledigt man meist sofort. Ich denke dabei an Dinge wie die beste Freundin anrufen, nachdem der vermeintliche »Mann unseres Lebens« Schluss gemacht hat, aufs Klo gehen, wenn man mal muss, das Süssigkeitenfach im Küchenschrank auffüllen, bevor es zu Neige geht. Könnte es nicht sein, dass die so genannte »Prokrastination« (was für ein hässliches Wort!) weniger ein Problem der eigenen Arbeitseffizienz ist als viel mehr ein sinnvolles biologisches Programm, das einem vor Augen führt, was wirklich bedeutsam ist und was nicht?
Eine interessante Hypothese, wie ich finde, deren Beweis dringend zu erbringen wäre. Zu dumm, bin ich gerade damit beschäftigt, über den Sinn und Unsinn von elektrischen Heizdecken nachzudenken, sonst hätte ich mich diesem Vorhaben umgehend angenommen. Echt jetzt.