Früher konntest du freitagabends immerhin noch mehr oder weniger sorglos eine therapeutische Dosis Bier in dich hineinschütten und darauf warten, dass du dich zu fortschreitender Stunde in jemanden verwandelst, den zumindest Fremde ansatzweise mögen könnten.
Heute stehst du bloss noch in irgendeiner Ecke des Raumes, die Flasche Bier von verkrampften Fingern umschlossen und deinen Rücken fest an die Wand gepresst, um nicht um- oder gar in abertausend nichtssagende Stücke auseinanderzufallen und kannst kaum fassen, wie fremd du dich in diesem Moment fühlst.
Unter Menschen. Unter Tage. Unter Zugzwang.
So stehst du da, unsicher, verloren und bis auf die Knochen traurig über den Verlust, den du vielleicht nicht treffsicher benennen aber nichtsdestotrotz vollumfänglich herzmittig spüren kannst. Den Verlust von Sinn, Mut, Freude… war das etwa deine Jugend?
Womöglich müsstest du dich lediglich einmal kurz von hier nach da quer durch den Raum bewegen und dabei ein klein wenig lächeln. Dumm nur, dass dir so gar nicht nach lächeln ist. Und dass dein Rückgrat mit der Wand hinter dir in seiner ganzen Mutlosigkeit und Starre eins geworden zu sein scheint. Und so stehst du weiterhin alleine da, wie eine antike Statue kurz vor dem endgültigen Zerfall und fragst dich, was am Ende wohl mehr weh tut, dich selbst nicht mehr ertragen zu können, oder von anderen gemieden zu werden. Du tippst auf ersteres. Einfach so ins Blaue hinaus und dennoch ziemlich sicher.
Dein Blick fällt auf die Uhr. Kann man es sich um diese Zeit bereits leisten, nach Hause zu gehen? Deine Stirn runzelt sich und das stroboskopisch-abgehackt gleissende Licht tut sein Übriges, um dich für einen kurzen Augenblick wie eine Karikatur deiner selbst aussehen zu lassen.
»Wen interessiert das schon?«, flüsterst du und bist einen Moment lang tatsächlich unschlüssig, ob du auf diese Frage bittere Tränen oder schallende Lachsalven folgen lassen sollst. Am Ende ist es ein kurzes Grinsen. Eins von jener Art, die das Gegenteil dessen meint, was es verspricht.
Zehn Minuten später kurvst du auf deinem Fahrrad durch die schale Nacht und atmest tief durch. Zum allerersten Mal an diesem Abend. An der nächsten Kreuzung müsstest du rechts abbiegen. Du entscheidest dich für links. In Windeseile, in Atemzügen so tief wie deine lodernde Angst vor der Zukunft. Als du schliesslich in jene weite Strasse einbiegst, die aus der Stadt hinaus und hinein ins ehedem so gefürchtete, da hilf- und haltlose Ungewisse führt, löst du deine Hände vom Lenker, schliesst die Augen und weisst instinktiv – es ist Zeit für einen Richtungswechsel.
Es ist Zeit, durchzuatmen.
Es ist Zeit, loszulassen.
Ja, verdammt… es ist Zeit.