Ich höre mich mit überschlagender Stimme in den Telefonhörer schreien, während ich mich von aussen beobachte, als wäre ich irgendeine Statistin, die rein gar nichts mit der Szenerie zu tun hat, die sich gerade vor ihren Augen abspielt und irgendwo zwischen grässlich und lachhaft anzusiedeln ist.
Während ich mich frage, wie es sein kann, dass ich von hinten links aus der Zimmerecke zu mir herüber blicke, obwohl ich am Küchentisch sitze und mit der Faust auf die Tischplatte schlage, wechselt der Fokus meiner Wahrnehmung mit einem Mal hoch an die Zimmerdecke. Oh, hallo Stuck, freut mich! Augenscheinlich kommt die Formulierung »ausser sich sein« nicht von ungefähr Nachdem du eben noch lautstark zurückgebrüllt hast, ist es nun still am anderen Ende der Leitung. Ich sitze konsterniert da, halte den Hörer ein Stück weit weg von meinem Ohr, atme tief ein und wieder aus, um mich zu beruhigen. Vergeblich. Dein Schweigen lässt mich nur noch wütender werden.
»Was ist los, sind dir die Argumente ausgegangen oder hat es dir die Sprache verschlagen, als du dir zur Abwechslung mal selbst zugehört hast?«, zische ich ins Telefon. Du sagst noch immer kein Wort, alles was ich höre, ist ein Seufzen. Es klingt müde und nach Resignation.
Ich spüre, wie sich mein Blick auf die Szenerie mehr und mehr trübt und – zack – ich mit einem Mal wieder auf die Tischplatte blicke, vor der ich sitze. Ich fühle den Schmerz in meiner Hand, die ich in Rage auf selbige gewuchtet habe und sehe Tränen sich zu kleinen Pfützen auf dem antiken Kirschbaumholz sammeln. Jene Tränen, die ich andauernd wegen irgendwie allem und nichts vergiesse. So oder so, ich bin zurück, bin wieder ich, während ich den Groll leise verebben und stattdessen Bedauern in mir aufsteigen fühle.
»Bitte sag etwas«, weine ich ins Telefon, während sich der Nebel in meinem Kopf weiter lichtet und einer Traurigkeit Platz macht, die mir auf leisen Sohlen die Brust hochkriecht.
»Was willst du von mir hören?«, tönt deine Stimme an meinem Ohr. Sie klingt ratlos. »Ich habe dir zu erklären versucht, wie meine Sicht der Dinge aussieht, während du mir immer wieder ins Wort gefallen bist, mich beschimpft und am Ende nur noch angeschrien hast«, schickst du hinterher. »Ich weiss einfach nicht, wie ich damit umgehen soll.«
»Hasst du mich jetzt?«, frage ich kleinlaut.
»Ich liebe dich, auch wenn ich wütend auf dich bin, sauer, genervt, enttäuscht oder dich hin und wieder schlicht nicht verstehe.« Du machst eine Pause, während derer ich geräuschvoll die Nase hochziehe.
»Alles andere wäre ›Sonnenscheinliebe‹. Die ist zwar einfach und um einiges bequemer, ich für meinen Teil habe aber lieber auch ein wenig Liebe im Herzen an Tagen, da ich durch Regenpfützen wate oder in dichtem Nebel umherirre. Dann erst recht.«
Nun hört es sich an, als sässest du am anderen Ende der Leitung mit einem Lächeln im Gesicht. Ich tue es dir instinktiv gleich, stehe auf und öffne das Fenster, worauf mir angenehm kühle Herbstluft entgegenweht. Während ich tief ein- und wieder ausatme, setze ich zu einer Antwort an.
»Dann erst recht. Aber weisst du was? Ich glaube, der Regen lässt langsam nach.«